Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)
Eine Stoßwellentherapie hilft in vielen Fällen und stellt eine relevante Alternative zu vielen Operationen dar.
Ursprünglich wurden Stoßwellen zur Behandlung von Nierensteinen eingesetzt. Als erstmals erfolgreich Kalkschultern behandelt wurden, hielt dieses Verfahren auch Einzug in das orthopädische Fachgebiet. Auffällig war, dass viele Patienten keine Beschwerden mehr in der Schulter hatten, obwohl weiterhin Kalk nachgewiesen werden konnte. Deshalb wurde der Wirkmechanismus weiter untersucht. Heute ist bekannt, dass Stoßwellen entzündungshemmend wirken und die Durchblutung sowie den Stoffwechsel fördern.
Ferner spielen sich auf Zellebene viele molekularbiologische Mechanismen ab, die eine Heilung von erkranktem Gewebe anregen oder beschleunigen.
Die Stoßwellentherapie ist schonend und hat nur wenige Nebenwirkungen. Damit ist sie eine gute Alternative zu Operationen, gerade wenn Entzündungen, Verkalkungen oder nicht heilendes Gewebe behandelt werden sollen.
Wirkungen der Stoßwellentherapie:
- Entzündungshemmend
- Anregung und Beschleunigung von Heilungsprozessen
- Bildung von Wachstumsfaktoren auf Zellebene
- Förderung von Knochenwachstum und Gewebeneubildung
- Linderung von Schmerzsyndromen
- Verkürzung von Rehabilitationszeiten
Stoßwellen sind energiereiche, mechanische Wellen, die durch ein Gelkissen auf den Körper übertragen werden. Ähnlich wie eine Lupe einen Lichtstrahl bündelt, werden auch die Stoßwellen fokussiert. Dadurch kann die mechanische Energie genau am Ort der Erkrankung wirken und dort die Heilung einleiten oder beschleunigen. Die Wirkung entfaltet sich durch die Fokussierung exakt in der gewünschten Zone, ohne jedoch das benachbarte Gewebe zu schädigen.
Welche Energiedichte angewendet wird, hängt von der behandelten Erkrankung ab. Ein nicht heilender Knochenbruch oder eine Hüftkopfnekrose bedürfen einer hohen Energieflussdichte, Sehnenentzündungen (z.B. Tennisellenbogen oder Achillodynie) werden niederenergetisch behandelt. Beim Schulterengpass-Syndrom (Kalkschulter/Schleimbeutelentzündung der Schulter) kommen mittlere Energieflussdichten zum Einsatz.
Myogelosen und Muskelverspannungen lassen sich sehr gut mit radialen, nicht fokussierten Stoßwellen behandeln.
Die exakten mechanischen und zellulären Wirkmechanismen sind in zahlreichen Untersuchungen beschrieben. Weitere Informationen zur Wirkungsweise und zur Wirksamkeit finden Sie z.B. hier:
http://www.digest-ev.de/leitlinien/
- Gerinnungsstörungen, z.B. Marcumartherapie
- Bösartige Tumorleiden
- Bakterielle Infekte im Behandlungsgebiet
- Schwangerschaft
Zunächst sollte die Diagnose gesichert sein und der Fokus der Erkrankung aufgefunden werden. In der Regel lässt sich der Fokus durch eine Ultraschalluntersuchung feststellen.
Anschließend wird die entsprechende Fokussierung am Gerät gewählt und ein Gel auf die betroffene Stelle aufgetragen, dann beginnt die Behandlung.
Sehr wichtig ist die Rückmeldung des Patienten bezüglich des Schmerzes. Bei den meisten Behandlungen wird an der Schmerzgrenze gearbeitet, nicht darüber hinausgehend. Die Rückmeldung des Patienten darüber, wo die Schmerzwahrnehmung am größten ist, ist ein wichtiger Parameter zur punktgenauen Anwendung. So zeigen auch Studien, in denen die ESW-Therapie in Kombination mit einem lokalen Betäubungsmittel angewendet wurde, auch nicht so gute Ergebnisse wie die ESWT ohne Anwendung zusätzlicher lokaler Betäubungsmittel (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16023010).
Die Stoßwellenbehandlung dauert in der Regel 5 bis 15 Minuten pro Sitzung, und es müssen meist drei bis fünf Sitzungen durchgeführt werden. In jeder Sitzung werden etwa 1000 bis 2000 Stoßwellen verabreicht.
Eine besondere Nachbehandlung ist nicht notwendig. Sie können unmittelbar nach der Stoßwellentherapie wieder Auto fahren und Ihre alltäglichen Beschäftigungen aufnehmen.
Bei der Behandlung der Kalkschulter empfehlen wir Ihnen, sich etwas zu schonen und Überkopfarbeiten zu vermeiden. Eine Arbeitsunfähigkeit wird jedoch bei den meisten Berufen durch die Stoßwellentherapie nicht verursacht.
Die Behandlung von nicht heilenden Knochen oder von Knochennekrosen erfordert eine höhere Energieflussdichte, sodass hier in der Regel eine lokale Betäubung notwendig ist.
Die Kosten der ESWT können nicht durch den Arzt festgelegt werden, sondern werden durch die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bestimmt. Die Stoßwellenbehandlung beinhaltet die Durchführung eines Ultraschalls (GOÄ410), eine genaue Untersuchung (GOÄ 7) und Aufklärung (GOÄ 1) sowie die eigentliche Stoßwellenbehandlung (GOÄ A 1800).
In sehr vielen Fällen lässt sich eine Operation vermeiden. Bei einigen Erkrankungen sind die wissenschaftlich erwiesenen Erfolge der ESWT sogar deutlich den Behandlungsergebnissen nach Operationen überlegen.
Die Stoßwellentherapie ist risikoarm, schnell und ambulant durchführbar. Damit gehört sie zu den wichtigen Säulen des orthopädischen Therapiespektrums. Trotzdem wird sie nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.
Meist spürt der Patient sehr zügig einen Effekt. Insbesondere bei Fersensporn/Plantarfasziitis berichten viele Patienten von einer unmittelbaren Besserung. Die Hauptwirkung tritt nach sechs bis zwölf Wochen ein.
Faktencheck zu den klassischen Anwendungsgebieten der ESWT
- Klassische Indikation der Stoßwelle, gute Heilungsaussichten
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: mehr als 80 Prozent
- Primärer Wirkmechanismus: Hemmung der stets um die Verkalkung bestehenden Entzündung, insbesondere des entzündlich veränderten Schleimbeutels unter dem Schulterdach
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig belegt, langfristiger Behandlungserfolg gleich gut wie bei der arthroskopischen operativen Entfernung des Kalkdepots
- Der Operation überlegen, da keine Nebenwirkungen und kein Arbeitsausfall
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: drei bis fünf Einheiten (= drei bis fünf Wochen)
- Wirkungseintritt: sechs bis zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2657331/
- Klassische Indikation der Stoßwelle, sehr gute Heilungsaussichten
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: mehr als 80 Prozent
- Primärer Wirkmechanismus: Hemmung der Entzündung um die Plantarfaszie
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig belegt, Behandlungsergebnisse besser als bei Operation oder Bestrahlung
- Von der amerikanischen Arzneimittel- und Implantataufsichtsbehörde (FDA) als wirksam bewertetes Verfahren zugelassen
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: drei bis fünf Einheiten
- Wirkungseintritt: meist unmittelbar nach der ersten Anwendung deutliche Besserung, Hauptwirkung sechs bis zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20691370/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2959162/
- Klassische Indikation der Stoßwellentherapie, sehr gute Heilungsaussichten
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: mehr als 80 Prozent
- Primärer Wirkmechanismus: Modulation der schmerzleitenden Nervenfasern der Knochenhaut, Entzündungshemmung, Lockerung des pathologisch gesteigerten Muskeltonus
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig belegt, Behandlungsergebnisse sind denen von Operation, Bestrahlung und Injektionstherapie (Botox oder Kortikoide) überlegen
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: drei bis fünf Einheiten
- Wirkungseintritt: meist unmittelbar nach der ersten Anwendung deutliche Besserung, Hauptwirkung sechs bis zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8666632/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4713784/
- Klassische Indikation der Stoßwellentherapie, gute Heilungsaussichten
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: mehr als 60 Prozent
- Primärer Wirkmechanismus: Entzündungshemmung, Aktivierung von Wachstums- und Heilungsfaktoren
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig belegt, Behandlungsergebnisse zeigen insbesondere in der Anfangsphase der Achillodynie gute Ergebnisse. Bei weit fortgeschrittener Erkrankung ist die ESWT weniger erfolgreich; hier ist ggf. eine Operation notwendig
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: fünf Einheiten, bisweilen mehr
- Wirkungseintritt: drei bis sechs Monate nach Behandlungsbeginn
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18171957
- Klassische Indikation der Stoßwellentherapie
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: abhängig von der Fraktur, dem Grund der verzögerten Knochenheilung und den Vorerkrankungen des Patienten; in Einzelstudien Heilungsraten von 75 Prozent nachgewiesen
- Primärer Wirkmechanismus: Induktion und Aktivierung von Wachstums- und Heilungsfaktoren
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig belegt; in Österreich von der Akademie der Wissenschaften zur Behandlungsform der ersten Wahl (beste Behandlungsform) erklärt
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: fünf Einheiten, bisweilen mehr
- Wirkungseintritt: drei bis sechs Monate nach Behandlungsbeginn
- Dauer der Behandlung: über Wochen/Monate
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2903117/
- Typische Indikation der Stoßwellentherapie
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: heterogen
- Primärer Wirkmechanismus: entzündungshemmend
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wird von Wissenschaftlern unterschiedlich bewertet
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: drei bis fünf Einheiten
- Wirkungseintritt: drei bis sechs Monate nach Behandlungsbeginn
- Dauer der Behandlung: über Wochen/Monate
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3445129/
- Typische Indikation der Stoßwellentherapie
- In wissenschaftlichen Studien angegebener Heilungserfolg: mehr als 90 Prozent
- Primärer Wirkmechanismus: entzündungshemmend
- Wissenschaftlicher Nachweis: positiver Effekt wissenschaftlich eindeutig bewiesen
- Durchschnittliche Anwendungshäufigkeit: drei bis fünf Einheiten
- Wirkungseintritt: meist sofort deutliche Besserung spürbar, Hauptwirkung nach sechs bis zwölf Wochen
Wissenschaftliche Studien von hoher Relevanz zu diesem Thema:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18446422
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-2001-14817
Neben diesen „klassischen“ Indikationen haben klinische Studien sehr hoffnungsvolle Behandlungsergebnisse bei folgenden Erkrankungen gezeigt:
Hierbei handelt es sich um Schmerzen, die durch verhärtete Muskelstränge verursacht werden, wie es zum Beispiel bei einem verspannten Nacken der Fall ist. Häufig werden diese Triggerpunkte auch von Blockaden des muskuloskeletalen Systems begleitet.
Die Behandlung ist eine Domäne der sogenannten Triggerpunkt-Stoßwellentherapie, die auch mit dem radialen Stoßwellengerät durchgeführt werden kann.
Studie:
http://link.springer.com/article/10.1007/s00132-011-1860-0#/page-1
Die Behandlung der Hüftkopfnekrose ist in aktuellen Leitlinien der wissenschaftlichen Gesellschaft aufgeführt und wichtiger Therapiebestandteil. Der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zufolge gehört die ESWT zu den wichtigen Therapieoptionen, bevor eine Operation durchgeführt wird.
Hier die Leitlinien:
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/033-050k_S3_atraumatische_Femurkopfnekrose_2014.pdf
Die Stoßwellentherapie ist eine Leistung, die von den gesetzlichen Krankenkassen regelhaft nicht übernommen wird. Aus diesem Grund sind viele Patienten misstrauisch, ob eine Stoßwellentherapie Nutzen bringen kann.
Zum Hintergrund: Der gemeinsame Bundesausschuss hat im Jahr 1998 eine Untersuchung (https://image.aok.de/assets/media/bundesweit/hta-eswt.pdf) zur Wirksamkeit der Stoßwellentherapie veröffentlicht. Hier wurde bei folgenden Erkrankungen keine ausreichende therapeutische Wirksamkeit der Stoßwellentherapie beobachtet:
- Pseudarthrose
- Plantarfasziitis mit und ohne Fersensporn
- Epicondylitis humeroradialis (Tennisarm)
- Tendinosis calcarea (Kalkschulter)
Die Untersuchung des gemeinsamen Bundesausschusses beinhaltet wissenschaftliche Studien bis zum Jahr 1996.
Vor 20 Jahren wurden ausschließlich sogenannte radiale Stoßwellengeräte eingesetzt. Laut aktueller Studienlage ist die Wirksamkeit einer radialen Stoßwelle bei den oben genannten Erkrankungen heterogen.
In der Zwischenzeit (seit etwas mehr als zehn Jahren) hat sich die Stoßwellentherapie aber maßgeblich verändert. Heutzutage kommen bei vielen Indikationen nicht mehr radiale Stoßwellengeräte, sondern fokussierte Stoßwellengeräte zum Einsatz. Die Studienlage bezüglich der Wirksamkeit ist eindeutig belegt für folgende Erkrankungen (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4674007/):
- Kalkschulter/Engpass-Syndrom der Schulter
- Achillodynie
- Plantarfasziitis
- Tibiakantensyndrom
- Trochanter-maior-Schmerzsyndrom
- Pseudarthrosen (nicht heilende Knochenbrüche)
- Patellaspitzensyndrom
- Tennisellenbogen/Golferellenbogen
Hoffnungsvolle Ergebnisse liegen auch vor bei der Behandlung schmerzhafter Verspannungszustände der Rückenmuskulatur (Triggerpunkt-Stoßwellen) und bei der Therapie postoperativer Schwellungszustände.
Im nicht-orthopädischen Fachgebiet wird die Stoßwellentherapie auch zur Behandlung von Cellulite und neuerdings sehr erfolgreich bei der erektilen Dysfunktion eingesetzt.